Als ich dann an seinem ersten Arbeitstag zum Morgenrapport
erschien, saß an der Tafelrunde schon ein großer, grimmig drein guckender
Gorilla, mit Oberarmen so groß wie meine Oberschenkel, in bemüht lässiger
Pose. Aja das ist er also.
Im OP erhielt
er gleich den Spitznamen Adonis und so werde ich ihn ab jetzt auch nennen.
Meine durchweg weiblichen Kolleginnen waren wie ausgewechselt:
Der Drachen
trägt auf einmal Lidschatten und am
Frühstückstisch herrscht aufgeregtes Gekicher, wenn Adonis sich nähert.
Als ich
wie gewohnt meine Zigarettenpause einlegte, ging auf einmal die Balkontür auf
und ein riesiger Schatten nahm mir die Sonne. „Ach meine Süße raucht auch?“
Adonis. Wie selbstverständlich setzte er sich zu mir und laberte mich mit
seinem griechischen Akzent voll, über komplexvolle Frauen, wie den Drachen, und
seine Tricks mit solchen Frauen umzugehen:
„Anna, wenn du einer komplexvollen
Frau gegenüberstehst, ich meine jetzt nicht den Drachen, aber die haben
meistens einen Komplex, verstehst du? Zum Beispiel sind sie unzufrieden mit
ihrer Figur. Dann versuche ich mich mit ihnen auf eine Stufe zu stellen und
sage zum Beispiel: Ich mache eine Diät. Und schon mögen die mich, verstehst du.“
Während er so faselte musste ich an mein Lieblingsrestaurant, den Griechen in
meinem Heimatdorf denken, hach jetzt nen Suflaki in Metaxasauce, da würd ich
für töten – und musterte seine Oberarme. „Babe niemand nimmt es dir ab, wenn du
sagst, dass du eine Diät machst.“
Ab da
achte ich immer haargenau darauf, welche Stories er mir beim Rauchen erzählt, und wäge
ab, ob er damit versucht einen meiner nichtvorhandenen Komplexe zu
kompensieren.
Adonis war Kreissaalarzt, deshalb ergab es sich, dass ich
ihm jeden Tag bei ein bis zwei Kaiserschnitten assistieren durfte. Im OP spielt er gerne den großen
Zampano und nennt alle Menschen nur Herr oder Frau Kolllllägge, ich glaub weil
er sich die Namen nicht merken kann, außer mich - ich bin Anna.
„ANNA langsam machst du mich richtig wütend,
nimm jetzt die scheiß Bipo und brenn das Gefäß da!“ dabei fletscht er gerne mal
mit seinen Zähnen und knurrt. Nur so nebenbei, die bipolare Strompinzette, mit
der man kleine Gefässe koagulieren kann, ist für Uhus normalerweise tabu.
Der
Drachen würde ausrasten, wenn ich es wagen würde, sie unaufgefordert anzupacken.
Adonis dagegen will, dass man die Arbeit sieht und beherzt eingreift, wenn man
helfen kann.
Eigentlich gar nicht so kacke. Wenn man nicht dauernd angeranzt
wird.
Während der OPs lässt er es sich nicht nehmen, mich irgendwelche
anatomischen Strukturen wie das Cavum Recii (schreibt man das so?) abzufragen.Ich glaube er macht das nur, weil er sich selber gerne beim Erklären zuhört. Selbstredend kann ich
nie etwas beantworten, worauf er sich stets einen ablacht: „ Wie heißt dein
Anatomieprof Anna? Dem Mensch gehört ein Orden verliehen.“
Die OPschwester hat mich letztens schon zur Seite genommen
und gefragt, warum der neue OA nur mit mir redet, während der Ops. Sie sah die
Ursache in meinen wasserstoffblonden Haaren. Meiner Meinung nach, ist der Grund ein ganz
anderer: Ich bin einfach cool.
Letzte Woche wendete sich aber das Blatt. Ich war mit Adonis
zu einer manuellen Plazentalösung eingeteilt und fragte ihn vorher, was meine
Aufgaben seien, damit er nicht wieder wütend auf mich wird. Als Antwort
erzählte er mir einen fünfminütigen Witz über Schimpansen. Aha." Versuch einfach, mich mal nicht wütend zu machen, bis jetzt hast du es immer geschafft."
Ich stand während des Eingriffs wie ein nutzloser Trottel
neben ihm und merkte schon, dass er immer hektischer wurde. „Mach jetzt mal ein
Ultraschallbild! Drück Freeze!“ Ich drückte Freeze. „Jetzt drück!“ Ich drückte
nochmal Freeze und das Bild bewegte sich wieder.
Er fletschte die Zähne: „Ich
hab gesagt du sollst drücken!“
Ach er meinte drucken. Vor Aufregung drückte ich wieder den falschen Knopf und druckte den Herstellernachweis des Ultraschallgerätes aus.
„ Ja sorry ich kenn mich
nicht so genau mit dem Ultraschallgerät hier im OP aus.“
„Dann setz dich da in die Ecke und sei ruhig,
wenn du nix kannst!“
Oh. Was macht man da am besten? Soll man sich jetzt echt in die
Ecke setzen?
Ich wägte kurz ab und blieb einfach stehen, half den OPpflegern beim
Lagern und ignorierte Adonis einfach, der leise vor sich hinfluchte. Danach
lies er mich nochmal antanzen: „Die Grundbegriffe des Ultraschalles sollte man
schon beherrschen!“ „ Du hast gesagt, ich soll drücken und das hab ich gemacht!
Ich kann ja nicht jedes deiner Worte in Frage stellen, ich mach einfach nur das
was du sagst!“ Ich drehte mich wutentbrannt
um und knallte die Umkleidetür theatralisch zu.
Der erinnert mich immer mehr an
das Biest in dem Disney Film. Jemand muss ihm beibringen sein Temperament zu
zügeln, dann könnte er am Ende ein niedlicher Prinz werden.
Heute war der erste Tag nach unserem Disput. Übrigens schon der zweite in der kurzen
Zeit. Ich versuchte mir nix anmerken zu
lassen und ging ihm gepflegt aus dem Weg.
Nach einem langem Op-Vormittag mit dem Drachen, saß ich alleine im
Assibüro und stalkte die neu eingetroffenen Patienten am PC, als ich das
unverkennbare Quietschgeräusch seiner Nikes hinter mir hörte. „Na was lieste? Gehen
wir zusammen eine Rauchen?“ HUHUHU. Auf dem Weg zum Balkon merkte ich, dass ich
meine Kippen in meinem anderen Kittel vergessen hatte. „Kannst welche von
meinen haben, wenn du Malboros magst. Und willst du vielleicht einen Kaffee?
Ich hab Instantzeug im Kreissaal gebunkert. Darf man aber nicht so viel von
Trinken, sonst bekommt man Würmer im Arsch.“ Gerührt sah ich ihm zu, wie er mit
seinen Pranken, seine letzten Instantkrümel für mich zusammenkratzte und mit
Zucker verfeinerte. Wie soll man da noch beleidigt sein? Auf dem Balkon
angekommen, erklärte er mir noch mal lang und breit, warum er im OP immer so
schnell ausrastet („sei du erst mal auf einmal Oberarzt und hab die ganze
Verantwortung, da wird man schnell mal nervös…verstehst du?“ ) und fragte wie
jeden Tag was ich denn abends mache. Kitty meint ich soll mal antworten, dass
ich Lust auf nen Bier hätte, und fragen soll, ob er mit mir was Trinken gehen
will. Aber ich finde das irgendwie too much, man sollte sein Glück nicht
überstrapazieren. Business und so.
Herrlich! ...Vor allem der dezente Hinweis auf Suflaki mit Metaxasoße in der Heimat ;) ...jetzt ein ouzo mit allen wäre ein Träumchen
AntwortenLöschenDanke wer bist du? Gib mir einen Tipp :D
AntwortenLöschenDie liebste Single-Leidensgenossin Samantha ;)
AntwortenLöschenNa auch nicht ganz komplexfrei der Herr Oberarzt :D
AntwortenLöschenWieder ein wunderbarer Post. Irgendwann wird das verfilmt. Ich hätte da Kontakte...
oh das klingt herrlich romantisch;)
AntwortenLöschenwas für ein geiler Blog ....mal laut gelacht...ist ja wie bei uns im KH!
AntwortenLöschenIch folge dir auf jeden Fall!
Lg