Halbgott in weiss.

Es ging das Gerücht rumm, dass Anfang Februar ein neuer griechischer Oberarzt bei uns in der Gyn anfangen sollte, 35 Jahre alt, also gerade noch safe was mein Beuteschema angeht: alles bis +10 und -3 geht noch klar. Assistenzärztin Olga kannte ihn noch von ihrer alten Stelle und verbreitete schon vorab ein paar Gerüchte über ihn: „ Der hat mich mal im OP so angebrüllt, dass ich ihm die OP Tücher ins Gesicht geworfen und gesagt habe: Mach deinen Scheiss allein weiter! Nehmt euch vor dem in Acht, sag ich euch!“ Yeah endlich etwas Action auf der Arbeit, dachte ich mir, und konnte es kaum abwarten bis endlich Februar ist.

Als ich dann an seinem ersten Arbeitstag zum Morgenrapport erschien, saß an der Tafelrunde schon ein großer, grimmig drein guckender Gorilla, mit Oberarmen so groß wie meine Oberschenkel, in bemüht lässiger Pose.  Aja das ist er also.
 Im OP erhielt er gleich den Spitznamen Adonis und so werde ich ihn ab jetzt auch nennen. Meine durchweg weiblichen Kolleginnen waren wie ausgewechselt: 
Der Drachen trägt auf einmal  Lidschatten und am Frühstückstisch herrscht aufgeregtes Gekicher, wenn Adonis sich nähert. 
Als ich wie gewohnt meine Zigarettenpause einlegte, ging auf einmal die Balkontür auf und ein riesiger Schatten nahm mir die Sonne. „Ach meine Süße raucht auch?“ Adonis. Wie selbstverständlich setzte er sich zu mir und laberte mich mit seinem griechischen Akzent voll, über komplexvolle Frauen, wie den Drachen, und seine Tricks mit solchen Frauen umzugehen:
 „Anna, wenn du einer komplexvollen Frau gegenüberstehst, ich meine jetzt nicht den Drachen, aber die haben meistens einen Komplex, verstehst du? Zum Beispiel sind sie unzufrieden mit ihrer Figur. Dann versuche ich mich mit ihnen auf eine Stufe zu stellen und sage zum Beispiel: Ich mache eine Diät. Und schon mögen die mich, verstehst du.“
 Während er so faselte musste ich an mein Lieblingsrestaurant, den Griechen in meinem Heimatdorf denken, hach jetzt nen Suflaki in Metaxasauce, da würd ich für töten – und musterte seine Oberarme. „Babe niemand nimmt es dir ab, wenn du sagst, dass du eine Diät machst.“   
Ab da achte ich immer haargenau darauf, welche Stories er mir beim Rauchen erzählt, und wäge ab, ob er damit versucht einen meiner nichtvorhandenen Komplexe zu kompensieren. 

Adonis war Kreissaalarzt, deshalb ergab es sich, dass ich ihm jeden Tag bei ein bis zwei Kaiserschnitten assistieren  durfte. Im OP spielt er gerne den großen Zampano und nennt alle Menschen nur Herr oder Frau Kolllllägge, ich glaub weil er sich die Namen nicht merken kann, außer mich - ich bin Anna. 
 „ANNA langsam machst du mich richtig wütend, nimm jetzt die scheiß Bipo und brenn das Gefäß da!“ dabei fletscht er gerne mal mit seinen Zähnen und knurrt. Nur so nebenbei, die bipolare Strompinzette, mit der man kleine Gefässe koagulieren kann, ist für Uhus normalerweise tabu. 
Der Drachen würde ausrasten, wenn ich es wagen würde, sie unaufgefordert anzupacken.
 Adonis dagegen will, dass man die Arbeit sieht und beherzt eingreift, wenn man helfen kann.
 Eigentlich gar nicht so kacke. Wenn man nicht dauernd angeranzt wird.

 Während der OPs lässt er es sich nicht nehmen, mich irgendwelche anatomischen Strukturen wie das Cavum Recii (schreibt man das so?) abzufragen.Ich glaube er macht das nur, weil er sich selber gerne beim Erklären zuhört. Selbstredend kann ich nie etwas beantworten, worauf er sich stets einen ablacht: „ Wie heißt dein Anatomieprof Anna? Dem Mensch gehört ein Orden verliehen.“ 

Die OPschwester hat mich letztens schon zur Seite genommen und gefragt, warum der neue OA nur mit mir redet, während der Ops. Sie sah die Ursache in meinen wasserstoffblonden Haaren.  Meiner Meinung nach, ist der Grund ein ganz anderer: Ich bin einfach cool.

Letzte Woche wendete sich aber das Blatt. Ich war mit Adonis zu einer manuellen Plazentalösung eingeteilt und fragte ihn vorher, was meine Aufgaben seien, damit er nicht wieder wütend auf mich wird. Als Antwort erzählte er mir einen fünfminütigen Witz über Schimpansen. Aha." Versuch einfach, mich mal nicht wütend zu machen, bis jetzt hast du es immer geschafft." 

Ich stand während des Eingriffs wie ein nutzloser Trottel neben ihm und merkte schon, dass er immer hektischer wurde. „Mach jetzt mal ein Ultraschallbild! Drück Freeze!“ Ich drückte Freeze. „Jetzt drück!“ Ich drückte nochmal Freeze und das Bild bewegte sich wieder.
 Er fletschte die Zähne: „Ich hab gesagt du sollst drücken!“ 
Ach er meinte drucken. Vor Aufregung drückte ich wieder den falschen Knopf und druckte den Herstellernachweis des Ultraschallgerätes aus. 
 „ Ja sorry ich kenn mich nicht so genau mit dem Ultraschallgerät hier im OP aus.“  
 „Dann setz dich da in die Ecke und sei ruhig, wenn du nix kannst!“ 
Oh. Was macht man da am besten? Soll man sich jetzt echt in die Ecke setzen? 
Ich wägte kurz ab und blieb einfach stehen, half den OPpflegern beim Lagern und ignorierte Adonis einfach, der leise vor sich hinfluchte. Danach lies er mich nochmal antanzen: „Die Grundbegriffe des Ultraschalles sollte man schon beherrschen!“ „ Du hast gesagt, ich soll drücken und das hab ich gemacht! Ich kann ja nicht jedes deiner Worte in Frage stellen, ich mach einfach nur das was du sagst!“  Ich drehte mich wutentbrannt um und knallte die Umkleidetür theatralisch zu. 
Der erinnert mich immer mehr an das Biest in dem Disney Film. Jemand muss ihm beibringen sein Temperament zu zügeln, dann könnte er am Ende ein niedlicher Prinz werden.

Heute war der erste Tag nach unserem Disput.  Übrigens schon der zweite in der kurzen Zeit.  Ich versuchte mir nix anmerken zu lassen und ging ihm gepflegt aus dem Weg.  Nach einem langem Op-Vormittag mit dem Drachen, saß ich alleine im Assibüro und stalkte die neu eingetroffenen Patienten am PC, als ich das unverkennbare Quietschgeräusch seiner Nikes hinter mir hörte. „Na was lieste? Gehen wir zusammen eine Rauchen?“ HUHUHU. Auf dem Weg zum Balkon merkte ich, dass ich meine Kippen in meinem anderen Kittel vergessen hatte. „Kannst welche von meinen haben, wenn du Malboros magst. Und willst du vielleicht einen Kaffee? Ich hab Instantzeug im Kreissaal gebunkert. Darf man aber nicht so viel von Trinken, sonst bekommt man Würmer im Arsch.“ Gerührt sah ich ihm zu, wie er mit seinen Pranken, seine letzten Instantkrümel für mich zusammenkratzte und mit Zucker verfeinerte. Wie soll man da noch beleidigt sein? Auf dem Balkon angekommen, erklärte er mir noch mal lang und breit, warum er im OP immer so schnell ausrastet („sei du erst mal auf einmal Oberarzt und hab die ganze Verantwortung, da wird man schnell mal nervös…verstehst du?“ ) und fragte wie jeden Tag was ich denn abends mache. Kitty meint ich soll mal antworten, dass ich Lust auf nen Bier hätte, und fragen soll, ob er mit mir was Trinken gehen will. Aber ich finde das irgendwie too much, man sollte sein Glück nicht überstrapazieren. Business und so.

6 Kommentare:

  1. Herrlich! ...Vor allem der dezente Hinweis auf Suflaki mit Metaxasoße in der Heimat ;) ...jetzt ein ouzo mit allen wäre ein Träumchen

    AntwortenLöschen
  2. Danke wer bist du? Gib mir einen Tipp :D

    AntwortenLöschen
  3. Die liebste Single-Leidensgenossin Samantha ;)

    AntwortenLöschen
  4. Na auch nicht ganz komplexfrei der Herr Oberarzt :D
    Wieder ein wunderbarer Post. Irgendwann wird das verfilmt. Ich hätte da Kontakte...

    AntwortenLöschen
  5. oh das klingt herrlich romantisch;)

    AntwortenLöschen
  6. was für ein geiler Blog ....mal laut gelacht...ist ja wie bei uns im KH!
    Ich folge dir auf jeden Fall!
    Lg

    AntwortenLöschen

Na was sachste dazu, Babe?